VW und die Herausforderungen der unternehmerischen Rationalität
Die Situation von Volkswagen hat einen kritischen Punkt erreicht, an dem zwar weiterhin die gewohnten Praktiken verfolgt werden, das Vertrauen in die Fähigkeit zur Bewältigung der Krise jedoch tagtäglich schwindet. Obwohl die VW-Krise aus den Schlagzeilen verschwunden ist, wurde sie durch die im Dezember getroffenen Sanierungsentscheidungen nicht gelöst. Es dominiert ein Glaube an Kompromisse und Zusammenhalt, der dazu führt, dass kaum noch mutig in den Abgrund geschaut wird, in dem der größte deutsche Automobilhersteller schwebt.
In der Krise von VW spiegelt sich beispielhaft die Misere der gesamten deutschen Wirtschaft wider. Diese Misere ist nicht einfach der verspäteten Reaktion auf einen notwendigen Strukturwandel zuzuschreiben. Die Wirtschaft in Deutschland befindet sich nicht nur in einer Übergangsphase, die von aktiven Unternehmen bewältigt werden kann. Vielmehr ist der gesamte Wandel in Frage gestellt. Es gibt ernsthafte Bedenken, ob die ehrgeizigen Ziele einer technologischen Neuausrichtung des Automobils und eine verstärkte Globalisierung der Unternehmensstandorte tatsächlich unternehmerisch sinnvoll sind. Dies wirft die Frage auf, ob Unternehmen künftig noch als tragende Säulen der Volkswirtschaft fungieren können.
Man könnte erwarten, dass die grundlegenden Entscheidungen, die das Unternehmen belasten, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Doch stattdessen bleibt alles wie gehabt, während das Vertrauen in eine nachhaltige Lösung der Krise schwindet. So entsteht eine merkwürdige Unsicherheit. Ist dies auf eine persönliche Schwäche der Verantwortlichen zurückzuführen? Eher handelt es sich um einen Mangel an klaren Kriterien, die eine Bewertung der Tragfähigkeit des eingeschlagenen Kurs ermöglichen.
Die gegenwärtige Krise ist im Wesentlichen eine Herausforderung für das Urteilsvermögen in der Unternehmensführung. Die deutsche Wirtschaftskrise ist, ob man es bereits erkannt hat oder nicht, tief in einer Krise der unternehmerischen Vernunft verwurzelt. Diese grundlegende Auseinandersetzung findet in den Unternehmen selbst statt, wo die Signale unmissverständlich darauf hinweisen, dass die ambitionierten Ziele nicht mit den Grenzen der unternehmerischen Vernunft zu vereinen sind. Ebenso steht dieser Konflikt im Spannungsfeld zwischen den Unternehmen und den äußeren politischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen, die oft die unternehmerischen Anforderungen ignorieren.
Aus diesem Grund ist die VW-Krise sowohl für das einst so erfolgreiche Unternehmen als auch für den Industriestandort Deutschland von großer Bedeutung. Der VW-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume äußerte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das am 23. Dezember 2024 veröffentlicht wurde, dass bereits Vereinbarungen über einen Stellenabbau und Einsparungen bei Löhnen und Gehältern getroffen wurden. Blume bezifferte die „dauerhaften Kostenentlastungen“ für Volkswagen auf jährlich 15 Milliarden Euro, was einer dauerhaften Reduzierung der Produktionskapazitäten um etwa 730.000 Fahrzeuge entspricht. VW hat sich demnach verkleinert.
Diese Maßnahmen entsprechen dem Produktionsniveau von zwei bis drei großen Werken. Blume betont, dass es essenziell sei, die Kernmarke VW so aufzustellen, dass sie ihre Investitionen eigenständig finanzieren kann. Ein Verlass auf Einnahmen aus dem Ausland, etwa in China, sei nicht mehr möglich. Zudem thematisiert der VW-Chef die politisch gesetzten Rahmenbedingungen, die angepasst werden müssten, um der veränderten wirtschaftlichen Realität gerecht zu werden.
Die Hinweise auf einen Markteinbruch im Bereich der Elektrofahrzeuge in Europa und der Verlust von Marktanteilen in Ländern wie China sind bereits spürbar. Volkswagen ist existenziell bedroht, und diese Situation könnte als ein Spiegelbild der Herausforderungen für den deutschen Industriestandort angesehen werden. Doch rechtfertigt das abgeschlossene Abkommen, dass VW aus der Krise ist? Diese Krise betrifft zentrale Elemente des Geschäftsmodells, das über Jahre hinweg verfolgt wurde. Einsparungen und Kapazitätsreduzierungen allein sind nicht ausreichend.
Im Hinblick auf das Ausmaß der Krise sind die Aussagen von Blume in dem Interview wenig überzeugend. Sie scheinen Lösungen zu skizzieren, die nicht klar darstellen, wie das Unternehmen aus der Krise herausfinden soll. Vor allem sind die Einsparungen nicht mit einer Rücknahme der Ziele verbunden, die maßgeblich zur gegenwärtigen Situation geführt haben. Der Kern der VW-Krise ist im Wesentlichen, dass beide strategischen Optionen – der technologische Fortschritt in der E-Mobilität und die Intensivierung der Globalisierung – sich als nicht tragbar erweisen.
Allerdings scheint die Unternehmensführung und die Mitarbeitervertretung unfähig zu sein, sich von diesen grundlegenden Entscheidungen zu lösen. Es wird nicht einmal in klaren Alternativen gedacht. Das Interview endet mit der Botschaft von Blume: „Es liegt noch viel Arbeit vor uns.“ Diese Äußerung lässt sich sowohl als Hinweis auf bevorstehende, schwierige Entscheidungen als auch als Hinweis verstehen, dass es sich nur noch um zahlreiche kleinere Anliegen handelt. Zudem hält Blume fest, dass „der grundlegende strategische Kurs hin zur E-Mobilität klar ist.“ Ein Festhalten an der bisherigen technologischen Grundentscheidung wäre zu riskant, wenn es an den bestehenden Marktbedürfnissen vorbei geht.
Die enormen Investitionen im Bereich der E-Mobilität werfen die Frage auf, ob sie tatsächlich als zukunftsorientierte Investitionen betrachtet werden können. Sind sie in der Lage, nachhaltige Überschüsse zu generieren, aus denen die ursprünglichen Ausgaben zurückgeholt werden können? Der Druck, diese Übergänge zu vollziehen, könnte sich als wirtschaftlich unhaltbar herausstellen. Und ebenfalls deutet die Situation darauf hin, dass die deutschen Automobilhersteller und die politischen Entscheidungsträger an einer Schwelle stehen, an der ernsthafte Umstrukturierungen notwendig sind.
Die Überzeugung, dass VW auf dem richtigen Weg ist und lediglich Anpassungen erforderlich sind, ist trügerisch. Es geht nicht nur um Übergangslösungen. Unternehmen müssen realistisch auf die Herausforderungen reagieren, um langfristig Erfolg zu haben. Die Vernunft im unternehmerischen Handeln muss diese Aspekte berücksichtigen und gegen jegliche Überlastung herausstellen.
Um die gegenwärtige Krisensituation von Volkswagen und der gesamten Branche zu verstehen, ist es angebracht, sich den Herausforderungen und Erwartungen, die heute an die Firmen gestellt werden, bewusst zu werden. Die zentrale Kernbotschaft von Blume, dass die VW-Marke ihre Investitionen nachhaltig erwirtschaften muss, verdeutlicht den grundlegenden Anspruch, den Unternehmen an sich stellen sollten.
Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit in einer modernen Wirtschaft sind keine Selbstläufer. Sie erfordern sowohl Eigenständigkeit als auch die Fähigkeit zur kontinuierlichen Anpassung. Diese Herausforderungen stehen im Fokus der unternehmerischen Vernunft und der nachhaltigen Planungen, mit denen VW und andere Unternehmen in Deutschland umgehen müssen.