Unerwiderte Liebe: Ein Weg durch den Schmerz
Hamburg. Unerwiderte Liebe ist ein komplexes Phänomen, das viele von uns im Lauf ihres Lebens erfahren. Psychologen beleuchten die Gründe, warum wir uns oft von unerreichbaren Menschen angezogen fühlen und wie man aus diesem emotionalen Kreislauf ausbrechen kann.
Es ist kein Geheimnis, dass Liebe nach ihren eigenen Gesetzen funktioniert. Die gängigen Sprichwörter wie „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“ scheinen oft nicht zu greifen. Häufig erleben wir, dass unsere Gefühle nicht erwidert werden. Aber was treibt uns dazu, in die falschen Personen verliebt zu sein? Und welche Wege gibt es, mit diesem Schmerz umzugehen? Berliner Paartherapeut Alexander Piotrowski und Diplom-Psychologin Tina Rosenberger untersuchen dieses Thema.
„Unerwiderte Liebe beschreibt das Gefühl, für jemanden zu empfinden, der diese Gefühle nicht erwidert“, erklärt Rosenberger. Dies führt zu einer Form einseitiger Zuneigung, die auch als Erotomanie bekannt ist. Laut Piotrowski entsteht diese Art von Gefühlen oft aus einem unerfüllten Bedürfnis nach Nähe. In solchen Fällen verlieben sich Menschen oft in jemanden, der außerhalb ihrer Reichweite ist, sei es aufgrund eines falschen Partners oder einfach des ungünstigen Zeitpunkts. Im Gegensatz zur partnerschaftlichen Liebe, die sich durch wechselseitige Erfahrungen und eine ständige Annäherung entwickelt, bleibt die unerwiderte Liebe häufig einseitig.
Laut Piotrowski gibt es erkennbare Hinweise, die darauf hindeuten, dass man in jemanden verliebt ist, der kein Interesse an einer Beziehung hat. „Wir haben Erwartungen an Nähe, Aufmerksamkeit oder Kontakt, die konstant unbefriedigt bleiben – und das schmerzt“, so der Therapeut. Die Betroffenen nehmen diese Warnsignale oft nicht wahr, da sie in ihrer Verliebtheit blind für die Realität sind. Sie hegen die Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Positiven wenden könnte.
Ein zentraler Punkt, den Piotrowski hervorhebt, ist die Anziehung, die gerade von der Unerreichbarkeit ausgeht. „Wenn jemand nicht jederzeit zur Verfügung steht, kann das für viele besonders reizvoll sein. Das Unerreichbare zieht uns an wie ein Rätsel, das es zu lösen gilt“, erklärt er. Diese Beobachtungen werden von Rosenberger bestätigt, die ähnliche Erfahrungen in ihrer Praxistätigkeit gemacht hat. „Es ist ein Teil des Lebens, dass wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, die unsere Zuneigung nicht erwidern.“
Wenn jemand jedoch ständig in die falsche Person verliebt, kann das auf tiefere Probleme hindeuten, warnen die beiden Experten.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die einer unerwiderten Liebe Vorschub leisten können:
1. Selbstschutz: Personen mit einem tiefen Bedürfnis nach Nähe interpretieren häufig Partnerschaften unbewusst so, dass sie unerreichbare Partner wählen. Oft sind dies Auswirkungen prägenden Erfahrungen aus der Kindheit oder früheren Beziehungen, die eine Angst vor Verletzung verursachen.
2. Vertrautheit: Auch die Gewöhnung spielt eine Rolle. Menschen, die in ihrer Kindheit ständig um die Liebe ihrer Bezugspersonen kämpfen mussten, zeigen oft eine Neigung, sich in Partner zu verlieben, deren Zuneigung schwer zu gewinnen ist. Hier wird die unerreichbare Liebe zum vertrauten Terrain.
3. Verarbeitung alter Wunden: Kindheitserfahrungen und frühere Partnerschaften prägen auch die Wahl des Partners im Erwachsenenleben. Menschen, die Ablehnung erfahren haben, suchen möglicherweise unbewusst nach Partnern, die ihre Gefühle nicht erwidern, in der Hoffnung, alte Wunden zu heilen.
Eine Liebe, die nicht gegenseitig ist, verursacht nicht nur psychische Belastungen, wie Rosenberger erklärt. „Es ist schmerzhaft, wenn starke Gefühle nicht erwidert werden.“ Die Zurückweisung kann zu einem tiefen Schmerz führen und Selbstzweifel verstärken, besonders wenn der Wunsch, mit der geliebten Person zusammen zu sein, stark ist.
Laut Piotrowski kann unerwiderte Liebe zu einem Teufelskreis aus Selbstzweifeln und sogar depressiven Phasen führen. Er empfiehlt, sich darüber klar zu werden, dass der eigene Selbstwert nicht von der Beantwortung der Gefühle durch andere abhängt. In solchen Situationen ist Mitgefühl und Selbstliebe entscheidend.
Die Bewältigung unerwiderter Liebe erfordert die Akzeptanz schmerzhafter Gefühle, um diesen Trauerprozess zu durchlaufen und den damit verbundenen Verlust zu erkennen. „Unerwiderte Liebe ist wie ein Abschied von einer tief verwurzelten Hoffnung, die Zeit braucht, um zu heilen“, sagt Piotrowski.
Eine wichtige Empfehlung von Rosenberger ist es, zunächst zu klären, ob die andere Person tatsächlich keine Gefühle hat. Andernfalls bleibt oft die Illusion, dass diese Person vielleicht nur schüchtern ist. Piotrowski ergänzt, dass der Trennungsprozess auch den Mut erfordert, sich von der idealisierten Vorstellung einer Person zu lösen.
Erneut betonen beide Experten, dass Abstand zu unerwiderten Gefühlen helfen kann. „Die Zeit heilt tatsächlich alle Wunden“, meint Piotrowski. Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berliner Morgenpost.