Warten auf die Rückkehr der Liberalen – die FDP und ihre Herausforderungen
In Hamburg zeichnet sich ein düsteres Bild für die FDP im Deutschen Bundestag. Ein erneuter Verlust könnte für die Partei schwerwiegende Auswirkungen haben, doch bekanntlich haben Totgesagte oft längere Silben, als man meint. Nach dem Wahldebakel wird gerne noch einmal über die vergangene Zeit geflästert. Häufig wird geschönt und gelobt, um den Verstorbenen zu ehren. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass das Schicksal der FDP noch nicht besiegelt ist. Das Inferno der hämischen Bemerkungen über die Partei, die allgemein nach der AfD den größten Unmut auf sich zieht, hält an.
Bei der Wahlparty der Grünen überkam die Anwesenden das Gefühl des Triumphes, als die ernüchternde Prognose für die FDP präsentiert wurde. Mit lediglich 11,6 Prozent konnte das Ergebnis der Liberalen nicht gerade überzeugen. Ein Großteil der Wählerschaft hegt eine Abneigung gegen die FDP, während nur wenige sie schätzen und noch weniger für sie stimmen. Sogar aus der Wirtschaft scheint die FDP inzwischen entbehrlich. Ihr Ausscheiden würde an der Börse kaum für Gesprächsstoff sorgen – stattdessen stiegen die Kurse im MDax, einer Liste mittelgroßer Unternehmen, die besonders unter der aktuellen Wirtschaftslage leiden. Eine positive Wende der wirtschaftlichen Bedingungen wird ohne die FDP erwartet, und viele sind sogar erleichtert, dass ein Dreierbündnis mit der SPD und der Union ausgeschlossen ist, welches nur zu einem verlängerten Konflikt der Ampelkoalition geführt hätte.
Die Einsamkeit um die FDP wird allmählich spürbar. Die Wirtschaft setzt auf eine Rückkehr zu Schwarz-Rot, als „Große Koalition“ bekannt. Jene Erstwähler, die bei der Wahl 2021 noch liberal gestimmt hatten, orientieren sich mittlerweile stärker nach links, in der Hoffnung, dem Kampf gegen rechts mit dieser Wahlhilfe besser begegnen zu können. Zudem existiert nicht mal ausreichend das bewährte Klischee der vielen Apotheker und Steuerberater in Deutschland, um die FDP erneut in den Bundestag zu bringen.
Entscheidend ist, dass sich bei der Wählerschaft kaum noch Gründe finden lassen, die für eine liberale Stimmabgabe sprechen. Während die Ampelkoalition für viele Beteiligte eine echte Herausforderung darstellte, erlebte die FDP hier einen Albtraum. Die Wähler nahmen die Liberalen zunehmend als reine Mehrheitsbeschaffer einer rot-grünen Politik wahr. Die Durchsetzung eigener Programmthemen blieb weitgehend aus – wenn sie geschah, waren die Resultate oft fragwürdig.
Die viel diskutierte Legalisierung von Cannabis wurde eher zum Fest für die Organisierte Kriminalität als zum Segen für Eltern, Fachmediziner und Polizeibehörden. Diese Entscheidung verdankte sich letztlich der eingeschränkten Möglichkeit, Kompromisse zu erzielen. An anderer Stelle wie beim Tempolimit oder der Schuldenbremse blieben die Liberalen starr und kompromisslos. Das Schlimmste im Kabinett abwenden, reicht offenbar nicht aus, um an einem Wahlsonntag eine Katastrophe zu verhindern.
Nun hat die FDP nicht nur ihren Platz im Bundestag, sondern ebenfalls die Führungsspitze verloren. Christian Lindner, der die Partei nach ihrem ersten Verlust im Jahr 2013 wiederaufbaute und dem Bundestag 2017 eine Rückkehr ermöglichte, ist verständlicherweise nicht bereit, diesen schweren Weg erneut zu beschreiten. Wolfgang Kubicki trägt nun die Hoffnung als Parteivorsitzender, allerdings könnte die Lösung nicht alleine von einem 72-Jährigen kommen. Vielleicht wird auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann beginnen, frischen Wind in die Partei zu bringen, denn sie hat die FDP ins Europaparlament geführt. Klar ist, dass dieser Neustart als Teamkraft gelingen muss.
Ach ja, die Wiederauferstehung der Partei hätte auch positive Folgen für die Republik. Schließlich trugen die Liberalen zum Wiederaufbau Deutschlands nach der Zeit des Nationalsozialismus bei und waren kontinuierlich im Bundestag vertreten. Persönlichkeiten wie Theodor Heuss, Walter Scheel, Hildegard Hamm-Brücher, Gerhart Baum oder Hans-Dietrich Genscher symbolisieren diese Tradition.
Gerade die Stimme der Liberalen zeichnet sich in vielen öffentlichen Debatten aus. Manchmal kann sie schrill und unangepasst wirken, oft jedoch auch tiefgründig und wertvoll. Freiheit hat in Deutschland traditionsgemäß keinen großen Rückhalt, was sich deutlich während der Pandemie im Umgang mit Grundrechten zeigte. Die Übergriffigkeit des Staates, der Maßnahmen gegen Kritiker gemäß einem neuen Straftatbestand verfolgt, sollte viel Aufregung verursachen.
Dem Land könnte mehr liberales Denken nicht schaden. Traurig ist allerdings, dass viele der letzten Führungspersönlichkeiten der FDP in den vergangenen Jahren das liberale Konzept in Deutschland diskreditiert haben. Angeboten werden eher streitbare Auseinandersetzungen mit Koalitionspartnern als ein konsequenter Einsatz für Freiheit und Liberalität. Während die Partei für viele in Teilen der Öffentlichkeit und der Medien als Sündenbock diente, wurde sie von ihren Mitgliedern als Verfechter einer rot-grünen Politik verspottet.
In dieser Hinsicht hat die FDP nun die Chance, neue Freiheiten zu entdecken. Dennoch wird es eine enorme Herausforderung sein, sie auch auszuschöpfen.