Deutschland: Eine Warnung an die Gesellschaft

Deutschland: Eine Warnung an die Gesellschaft

Das, was oft als das Schicksal bezeichnet wird, entsteht häufig aus menschlichen Entscheidungen. Gabriel García Márquez thematisiert dies eindrucksvoll in seinem Werk „Chronik eines angekündigten Todes“. Diese Verbindung zu Deutschland ist nicht zufällig.

Das Buch ist nicht nur eine fiktive Erzählung, sondern vielmehr eine eindringliche Mahnung. Es zeigt, dass gesellschaftliche Probleme oft frühzeitig erkennbar sind. Die entscheidende Frage bleibt, ob man proaktiv handelt oder in der Passivität verharrt. Deutschland sieht sich gegenwärtig mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Doch im Unterschied zu Santiago Nasar, der tragisch endet, haben wir die Möglichkeit, die Entwicklung unserer eigenen Geschichte aktiv zu gestalten.

In der türkischen Übersetzung des Romans, die ich 1981 las, trägt er den Titel „Kırmızı Pazartesi“ – was „Der Rote Montag“ bedeutet. Der Aufhänger dieser Erzählung ist ein Mord, der an einem Montag stattfindet. Parallelen dazu zeigen sich auch in Deutschland, wo wir nach den vergangenen Bundestagswahlen an einem Montag aufwachten. Ein Tag, der nur leicht in der Farbe Schwarz gehalten war, könnte sich, je nach den kommenden Jahren, in einen „Roten Montag“ verwandeln.

In Márquez’ Erzählung ist der gesamte Dorfbevolkerung der bevorstehende Mord bekannt, doch den wenigsten ist es möglich, tatsächlich zu intervenieren. Ähnlich verhält es sich in Deutschland: Eine verbreitete Denkweise prägt viele gesellschaftliche Bereiche, sei es in der Politik, im Umgang mit sozialer Ungerechtigkeit oder bei brisanten Themen wie dem Klimawandel oder dem Rechtsruck. Der Mut, Missstände offen anzusprechen, ist oft gering – oft aus Angst vor sozialer Isolation oder einem Gefühl der Resignation.

Im Roman rächen die Brüder Vicario ihren Ehrenverlust, indem sie Santiago Nasar umbringen – eine Entscheidung, die nicht aus einem inneren Wunsch heraus, sondern aus erzwungener Notwendigkeit geschieht. Heutzutage treffen viele Menschen Entscheidungen nicht, weil sie rational sind, sondern weil sie gesellschaftliche Normen oder Ideologien befolgen. Politische Fronten werden robuster, und viele halten an ihrer Sichtweise fest, auch wenn sie nicht haltbar ist, da es häufig mehr um das eigene Image als um die Wahrheit geht.

„Da kann man nichts machen“ – dieser Satz fällt oft in Bezug auf hohe Mieten, soziale Ungleichheiten oder politische Fehlentwicklungen. Doch wie in Márquez’ Geschichte ist das „Schicksal“ meist die Folge menschlichen Handelns, oder eben Unterlassens. Die Zukunft kann gestaltet werden, doch dies erfordert ein Bewusstsein für die eigene Rolle darin.

In „Chronik eines angekündigten Todes“ eskaliert die Situation auch, weil wichtige Informationen nicht rechtzeitig ankommen. Ähnliche Phänomene sind in Deutschland zu beobachten: Die Polarisierung wird durch soziale Medien verstärkt, während Desinformation und das Auseinanderdriften von Lebensrealitäten die Gesellschaft spalten. Viele Menschen hören nur noch das, was ihre eigene Sichtweise bestätigt. Die Folge? Eine Gesellschaft, in der der Dialog abnimmt und stattdessen über andere geredet wird.

Am Ende des Romans bleibt unklar, wer die Verantwortung für den Tod Santiagos trägt – letztlich hätte jeder einen Beitrag zur Rettung leisten können. Auch in Deutschland stellt sich die Frage: Wer trägt die Verantwortung, wenn gesellschaftliche Krisen nicht gelöst werden? Die Politik? Die Wirtschaft? Der Einzelne? Die Antwort auf diese Frage ist: alle zusammen.

Gesellschaftliche Probleme sind oftmals im Vorfeld erkennbar. Die Herausforderung besteht darin, dass wir nicht abwarten, sondern aktiv handeln. Deutschland hat die Chance, die eigene Geschichte zu verändern – aber nur, wenn die gewählten Vertreter dies ermöglichen.

Verfasser des Artikels ist Ahmet Refii Dener, ein Experte für die Türkei, Unternehmensberater sowie Jugend-Coach aus Unterfranken, der sich gegen betreutes Denken einsetzt und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm findet man auf seiner Facebook-Seite, Instagram sowie seinem Blog.

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