Am kommenden Montag feiert die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen den 80. Jahrestag seiner Befreiung durch sowjetische und polnische Truppen. Mit diesem Jubiläum steht der Ort vor einer neuen Herausforderung: Die Zeitzeugen, die über ihre Erfahrungen im Lager berichten können, werden immer seltener.
Etwa 3.000 Gefangene befanden sich noch in Sachsenhausen am Tag der Befreiung, während die Nationalsozialisten Tausende weitere auf Todesmärsche geschickt hatten. Insgesamt wurden zwischen 1936 und 1945 etwa 200.000 Menschen ins Lager eingeliefert; mehr als zehntausend kamen dort ums Leben. Noch nach der Befreiung im April 1945 starben rund 300 Häftlinge an den Folgen ihrer Haft.
Bogdan Bartnikowski, ein Überlebender von Sachsenhausen und Auschwitz, ist heute einer der wenigen Zeugen, die das Lager besuchen können. Die Gedenkstätte erwartet in diesem Jahr nur sechs ehemalige Häftlinge auf dem Jubiläumsfest, während vor zehn Jahren noch etwa 100 Zeitzeugen anwesend waren. Ihre Anzahl nimmt rapide ab, da die Überlebenden mittlerweile zwischen 89 und 100 Jahre alt sind.
Katrin Gruber, Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte Sachsenhausen und Enkelin eines Überlebenden, äußert Hoffnung auf eine letzte Gelegenheit für die Zeitzeugen, ihre Geschichte zu erzählen. Sie betont jedoch, dass die Erinnerungskultur in Zukunft zunehmend auf jüngere Generationen abzielen muss.
Astrid Ley, Leiterin der Gedenkstätte, verweist darauf, dass es ohne persönliche Bezüge zu den Schrecken des Nationalsozialismus kommen könnte, dass die Zeit als längst vergangen empfunden wird. Sie schlägt daher vor, einen Schulbesuch an der Gedenkstätte zur Pflicht machen zu lassen.
Die Bedrohung durch rechtsextreme Parteien und steigender Antisemitismus tragen dazu bei, dass die Wichtigkeit des Erinnerns noch dringlicher wird. In Oranienburg, wo sich das Lager befindet, wählten 30% der Stimmberechtigten bei der Bundestagswahl 2021 eine Partei mit rechtsextremen Tendenzen.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt das Interesse an Sachsenhausen groß. Jährlich besuchen etwa 700.000 Menschen die Gedenkstätte, und es finden regelmäßig Workshops und Seminare statt. Die zentrale Gedenkveranstaltung am 4. Mai wird dieses Jahr wie in den vergangenen Jahren an der Stelle des ehemaligen Lagers stattfinden.