Aktivist berichtet über die Kunst der Mobilisierung von Zehntausenden

Aktivist berichtet über die Kunst der Mobilisierung von Zehntausenden

Berlin. Gegen den Rechtsruck und für den Klimaschutz: In Deutschland versammeln sich Hunderttausende Menschen auf den Straßen. Aber wie gelingt es, eine so große Menschenmenge zu mobilisieren?

In den vergangenen Wochen demonstrierten etwa 160.000 Personen in Berlin und rund 250.000 in München – das sind nur die zahlenmäßig stärksten Proteste. Von Kiel bis Rosenheim suchen die Menschen Gehör und setzen sich anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl für eine klare politische Haltung ein, die sich unter anderem gegen die Remigrationsideen der AfD, für den Klimaschutz sowie für die Rechte der Frauen richtet. Am kommenden Freitag wird Fridays for Future einen „Globalen Klimastreik“ ausrufen.

In einem Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Luca Barakat, ein 19-jähriger Aktivist aus München, wie solch eine Mobilisierung funktioniert. Er hat das „Lichtermeer für Demokratie“ mitorganisiert und erhält nicht nur Unterstützung, sondern auch Gegenwind – sei es in Form von Beleidigungen in sozialen Netzwerken oder sogar persönlichen Bedrohungen. Einmal erhielt er die Beleidigung, er solle „vergast“ werden.

Trotz der Herausforderungen arbeitet Barakat auch am „Globalen Klimastreik“, muss jedoch aufgrund eines Burnouts kürzer treten. In seinem WG-Zimmer in München, das mit Bildern von großen Demonstrationen verziert ist, reflektiert er über seine Erfahrungen.

Aktivismus ist mit erheblichen Anstrengungen verbunden und wird von vielerlei Widerstand begleitet. Was motiviert ihn?

Schon früh war Barakat jemand, der aktiv seine Meinung kundtut und sich für Veränderungen einsetzen wollte. „Ich möchte mitbestimmen, wie es in meinem Umfeld läuft“, sagte er. Sein Interesse am politischen Geschehen, insbesondere in Bezug auf den Klimawandel und den Rechtsruck in der Gesellschaft, der vor allem strukturell benachteiligte Gruppen wie Frauen oder Geflüchtete betrifft, ist ein zentraler Antrieb für sein Engagement.

Er betont, dass Klimawandel und Rechtsruck eng miteinander verzahnt sind. „Wir riskieren, dass bis 2100 Millionen von Menschen aufgrund des Klimawandels flüchten müssen. Dieses Thema wird von rechten Parteien stark thematisiert“, erläutert er. Das Bewusstsein für solche Zusammenhänge ist wichtig für die Mobilisierung von Protesten gegen den Rechtsruck.

Die Herausforderung, Zehntausende zu mobilisieren, sei gewaltig. „In der Regel braucht man Monate Vorbereitungszeit, ausreichend finanzielle Mittel und eine Vielzahl von Mitstreitern. Tatsächlich haben wir jedoch nur ein kleines Team von etwa 20 bis 30 Personen, das eine Woche vor der Demo unermüdlich arbeitet“, berichtet Barakat.

Er selbst finanziert sein Engagement als Barkeeper und verdient damit etwa 1200 Euro netto monatlich, muss aber oft auf Arbeitszeiten verzichten, wenn er sich um eine Demo kümmert.

Auf die Falschbewertungen von Demos durch die Medien angesprochen, stellt Barakat klar, dass die Protestbewegung nicht in den Dreck gezogen werden sollte. „Das sind leider undemokratische Taktiken, um die größte Protestbewegung Deutschlands herabzuwürdigen“, sagt er.

Er erklärt zudem, dass eine Demo aus verschiedenen Mitteln finanziert wird, dabei jedoch nicht direkt vom Staat „gekauft“ wird. „Es gibt Fördermittel für Vereine, die zum Teil für die Finanzierung von Infrastruktur verwendet werden, aber die Menschen, die demonstrieren, tun dies, weil sie eine Meinung haben.“

Die Kosten für eine Demo belaufen sich auf fünfstellige Beträge, wobei ein Großteil über Spenden geflossen ist. Proteste wie der „Aufstand der Anständigen“ oder der „Globale Klimastreik“ seien wichtig, um Menschen zu zeigen, dass ihre Sorgen gehört werden und sie nicht allein sind.

Barakat hebt hervor, dass solche Demonstrationen wichtigsten Zusammenhalt schaffen und die Menschen motivieren, sich enger in ihren Gemeinschaften zu engagieren. Doch er stellt auch die Frage, warum weniger Demonstrationen gegen Antisemitismus organisiert werden.

Abschließend wünscht sich der Jugendaktivist ein starkes politisches Engagement über Parteigrenzen hinweg, um die grundlegenden Probleme in der Gesellschaft anzugehen. „Es ist entscheidend, dass die demokratischen Parteien gemeinsam eine starke Abgrenzung zur AfD bilden, um unsere Demokratie zu schützen.“

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