Wer kann den Ukraine-Krieg beenden?

Wer kann den Ukraine-Krieg beenden?

Im Verlauf der letzten drei Jahre hat die Ukraine einen Krieg erlebt, dessen Auswirkungen und Ursachen tiefgründig und vielschichtig sind. Der aus Russland stammende Boris Kotchoubey, Professor an der Universität Tübingen, beleuchtet in einem Interview die komplexe Thematik rund um den Ukraine-Konflikt, die weit über die einfache Konfrontation von Ost und West hinausgeht.

Frage: Nachdem nun drei Jahre vergangen sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Krieges. Sie haben in einem Artikel für Nova dargelegt, dass der Krieg nicht nur ein Konflikt zwischen dem Westen und Russland ist. Halten Sie an dieser Ansicht fest?

Kotchoubey: Ja, ich denke, es wäre ein Fehler, den Konflikt ausschließlich durch die Linse des „Westens“ und Russlands zu betrachten. Dieser Mythos hat in Russland eine lange Tradition, die bis in die Zeit des Kalten Krieges zurückreicht. Um zu verstehen, was geschieht, dürfen wir diesen historischen Rahmen nicht ignorieren. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und vielen westlichen Nationen, Deutschland eingeschlossen, erheblich vertieft. Einige der führenden deutschen Politiker haben über Jahre hinweg enge Beziehungen zu den sowjetischen und später russischen Eliten gepflegt, was zu einem missverstandenen Narrative führte, das die Realität verzerrt.

Wenn wir die Zeit des Kalten Krieges betrachten, ist es kaum vorstellbar, dass die Führungseliten innerhalb der Sowjetunion enge Verbindungen zur NATO aufgebaut hätten oder dass ihre Familien in den Weststaaten einen Lebensstil führten, der für gewöhnliche Bürger unvorstellbar wäre. Heute sind es die einfachen Russen – Studenten, Wissenschaftler und Künstler – die unter den Folgen des Krieges leiden, während diejenigen in Machtpositionen weiterhin unberührt bleiben.

Die Frage, ob Waffenlieferungen an die Ukraine den Krieg beenden können, ist eine zentrale Debatte. Müssen wir zwischen militärischen und politischen Aspekten unterscheiden? Militarisch hat der Westen einen enormen Vorteil gegenüber Russland. Doch mehr Waffen führen nicht zwangsläufig zu einer Lösung. Auch die politische Dimension spielt eine wesentliche Rolle.

Wir können die militärtechnische Situation mit Blick auf die Zukunft betrachten: Ein hypothetischer militärischer Sieg der Ukraine könnte in einer Reihe von weitreichenden politischen Konsequenzen resultieren. Der Irak-Krieg ist hier ein Beispiel, bei dem trotz schnellem militärischen Gewinners, das politische Ergebnis katastrophal war.

Die russische Seite scheint momentan schwächer denn je, doch die Frage bleibt, wie lange dieser Zustand anhalten kann. Trotz der gravierenden Verluste bewegt sich die russische Armee weiterhin vorwärts, da auch die Ukraine nicht in einer allzu stabilen Lage ist und mit enormen Korruptionsproblemen zu kämpfen hat.

Und was die atomare Bedrohung betrifft: viele zweifeln an der Einsatzfähigkeit des russischen Atomwaffenarsenals. Das Fehlen von deutlichen Tests oder Demonstrationen dieser Stärke könnte die Glaubwürdigkeit Russlands untergraben, besonders in einer Zeit, in der der internationale Nervenkitzel so hoch ist.

Zusammengefasst: Ein militärischer Sieg über Russland wäre für die NATO relativ schnell erreichbar, doch die politischen Folgewirkungen sind unberechenbar. Die Frage bleibt, ob der Westen tatsächlich an einem verheerenden Rückschlag für Russland interessiert ist oder ob der Ansatz darin besteht, Russland auf einem gerade noch erträglichen Kurs zu halten, ohne dass es vollständig destabilisiert wird.

In Anbetracht dessen ist es nicht nur eine Frage des Militärs, sondern auch des globalen politischen Spiels, in dem Österreich, Finnland und andere Nationen ihre eigenen Sicherheiten und Interessen abstecken.

Insgesamt bleibt ungewiss, ob eine externe Regierung tatsächlich die Macht hat, die Situation zu beeinflussen. Technisch mag der Westen in der Lage sein, ein Ende des Krieges herbeizuführen. Doch man fragt sich, ob ein solches Ende mehr ist als eine kurze Atempause im ewigen Ringen um Macht und Einfluss.

Dieser Krieg ist nicht nur ein Ukraine-Konflikt, sondern vor allem ein Schachspiel, das viele Züge im Vorfeld fordert, und die politischen Folgen sind diejenigen, die das Schicksal zukünftiger Generationen bestimmen werden.

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