Die Zeiten, in denen die Speisekarte eines durchschnittlichen deutschen Gasthofes so vorhersehbar war wie der Einbruch der Dunkelheit zu vorgerückter Tagesstunde, sind Vergangenheit. Doch das Zigeunerschnitzel bleibt eine kontroverse Speise, die in den letzten Jahrzehnten immer wieder in den Fokus gerät – nicht wegen ihrer kulinarischen Qualität, sondern aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung und der damit verbundenen Stereotype.
Das Zigeunerschnitzel war ein Produkt der Hochküche und ähnelt in nichts den Vulgärvarianten späterer Epochen. Man kombinierte nämlich ein Kalbsschnitzel mit (roter) Pökelzunge, (schwarzen) Trüffeln (!) und grünem wie rotem Paprika, eine Garnitur, die angeblich an die Tracht spanischer Zigeuner erinnern sollte, die durch Georges Bizets Oper „Carmen“, uraufgeführt 1875, populär wurde. Die Frage ist, was das alles mit dem Zigeunerschnitzel zu tun hat. Die Antwort lautet: eigentlich nichts! Den kulinarischen Terminus „nach Zigeunerart“ gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert, und er findet sich in vielen Kochbüchern und kulinarischen Abhandlungen.
Das bis heute stilprägende Zigeuner-Stereotyp, die ungarische Zigeuner-Romantik mit Csárdás, Ziehbrunnen und Paprika, ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts und mündete schließlich in den breiten, trägen Strom der Zigeunersoßen, die, mehr oder weniger scharf gewürzt, die Schnitzelteller überfluteten und von der Industrie für den Hausgebrauch adaptiert wurden.
Die kulturelle Bedeutung des Zigeunerschnitzels ist unstrittig: Er steht für eine Tradition, die in den letzten Jahrzehnten immer wieder als Symbol für rassistische und kulturell verfeinerte Stereotype missbraucht wurde. Die durch die Nazis während des Zweiten Weltkrieges ermordete Schätzungsweise einer halben Million Sinti und Roma durch die Nazis ist eine Geschichte, die in der kulinarischen Tradition des Zigeunerschnitzels nicht aufgeht.
Der Untergang dieser Art von Zigeunerschnitzel ist ein zivilisatorischer Fortschritt und als solcher vorbehaltlos zu begrüßen. Doch den Anhängern der Cancel Culture und Political Correctness, die nach dem „Mohr im Hemd“, einer zwar sättigenden, aber ansonsten absolut harmlosen Süßspeise (siehe Rezept „Mohr im Hemd“ Seite 119), dem „Mohrenkopf“ oder „Negerkuss“ und dem „Eskimoeis“ auch das Zigeunerschnitzel auf den Index der unsagbaren Worte gesetzt haben, ging es ja niemals um gutes oder schlechtes Essen oder Vergangenheitsbewältigung, sondern um moralische Rechthaberei.
Die Frage ist, was das alles mit dem Zigeunerschnitzel zu tun hat. Die Antwort lautet: eigentlich nichts! Den kulinarischen Terminus „nach Zigeunerart“ gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert, und er findet sich in vielen Kochbüchern und kulinarischen Abhandlungen. Das ursprüngliche Zigeunerschnitzel war ein Produkt der Hochküche und ähnelt in nichts den Vulgärvarianten späterer Epochen.
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