Der Einfluss der Inflation auf den traditionsreichen Goldgebrauch bei türkischen Hochzeiten

Der Einfluss der Inflation auf den traditionsreichen Goldgebrauch bei türkischen Hochzeiten

In der Türkei ist es Brauch, Hochzeitsgeschenke in Form von Goldmünzen zu überreichen. Diese Tradition könnte jedoch unter dem Druck der Inflation leiden, da der Preis einer Goldmünze inzwischen dem monatlichen Mindestlohn entspricht. Ist die Tradition womöglich gefährdet?

Hochzeiten und Beschneidungsfeiern in der Türkei haben das Potenzial, eine enorme wirtschaftliche Dimension anzunehmen. Je mehr Gäste eingeladen werden, desto mehr Geld kann generiert werden, wenn nicht wohlüberlegt vorgegangen wird. Um finanzielle Enttäuschungen zu vermeiden, raten Experten dazu, die finanzielle Situation der eingeladenen Personen im Voraus zu prüfen.

Besucher türkischer Hochzeiten erinnern sich an den feierlichen Moment, wenn das Brautpaar auf der Bühne steht und die Goldzeremonie beginnt. Anstatt Glückwünsche auszusprechen, verkünden die Gäste ihre Zuneigung durch das Anhängen von Goldmünzen an die Schärpe des Paares. Diese Brauch folgt auch bei Beschneidungsfeiern, bei denen der Junge die Schärpe trägt.

In vielen Familien ist es üblich, für jeden Sohn eine eigene Feier auszurichten. Hierbei soll verhindert werden, dass die Gäste ihr Geschenk auf mehrere Kinder aufteilen. Jede Feier wird daher als eine individuelle Gelegenheit gesehen, in der jeder Junge im Mittelpunkt steht und mit Gold beschenkt wird.

Die Geschenke bleiben nicht unbeobachtet. Die Anwesenden, insbesondere die Mütter des Brautpaares, führen akribisch Buch über die Geschenke. Es wird genau registriert, wer welche Münze geschenkt hat. Dieser Druck kann sogar Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen haben: Wenn jemand bei einer Hochzeit nicht angemessen schenkt, kann dies spätere Einladungen gefährden.

Obwohl der aktuelle Goldpreis schwankt, bleibt das Gewicht der Goldmünze bei der Auswahl des Geschenks entscheidend. In Zeiten von Wirtschaftskrisen jedoch überlegen viele, ob sie nicht doch auf kleinere Münzen oder sogar Silber zurückgreifen sollten. Die Furcht, sich keine Goldmünzen mehr leisten zu können, greift zunehmend um sich, auch in der Mittelschicht.

Die steigenden Erwartungen und die gesellschaftlicher Druck führen dazu, dass viele Familien, selbst wenn sie es sich nicht leisten können, die Feierlichkeiten nicht ausfallen lassen wollen. Oftmals werden die in den letzten Jahren gesparten Beträge ausgegeben, um den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden.

Eine Hochzeit im August 2024 in der ostanatolischen Stadt Van hat diesen Trend eindrücklich unter Beweis gestellt, als das Brautpaar Geschenke im Wert von über 750.000 Euro erhielt. Leider kann die türkische Lira aufgrund der Inflation kaum als stabile Währung betrachtet werden, was die Situation weiter erschwert.

Aktuell steht die Goldtradition an einem Wendepunkt. Ein vollständiger Goldmünzenpreis entspricht mittlerweile dem monatlichen Mindestlohn von 22.104 Türkischen Lira. Die Unsicherheit, ob man sich das Geschenk leisten kann, sorgt dafür, dass viele überlegen, ob sie an Feierlichkeiten teilnehmen.

Die Frage bleibt: Verzichten die Menschen auf goldene Geschenke oder verschwindet die Mittelklasse im Zuge dieser finanziellen Herausforderungen?

Ahmet Refii Dener, ein Kenner der türkischen Gesellschaft, berichtet über das Phänomen. Weitere Einblicke sind auf seinen Social-Media-Kanälen zu finden.

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