Ein chaotisches diplomatisches Spiel im Weißen Haus

Ein chaotisches diplomatisches Spiel im Weißen Haus

Murphys Gesetz besagt: „Alles, was schiefgehen kann, geht schief.“ In diesem Licht ist der jüngste diplomatische Austausch zwischen Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump zu sehen, der offenbar nicht wie gewünscht verlief. Die negativen Auswirkungen dieses Treffens könnten äußerst schwerwiegende Folgen haben, vor allem für die europäische Diplomatie.

Erscheint das Ganze nur wie eine Inszenierung? Man könnte denken, die körperliche Sprache Selenskyjs – die verschränkten Arme – und Trumps defensives Verhalten sowie die unbewegte Miene von Außenminister Rubio seien alles Zeichen für ein missratendes Treffen. Und wenn Trump mit seiner Bemerkung über „große Fernsehunterhaltung“ lediglich die Situation wie bei einer Show kommentiert hat, könnte das möglicherweise darauf hindeuten, dass er die Tiefe des Problems nicht wirklich erfasst. Dennoch ist die Spannungen zwischen den beiden Protagonisten unbestreitbar und ihre Wurzeln finden sich nicht nur in den letzten Minuten, sondern in der Gesamtheit des 45-minütigen Gesprächs, in dem Selenskyj den zentralen Konflikt initiierte.

Man kann darüber nachdenken, welche Rolle äußere Erscheinung spielt, wenn man die Ehre hat, im Oval Office empfangen zu werden. Selenskyjs Entscheidung, in einem Pullover zu erscheinen, erscheint in einem solch formellen Rahmen nicht gerade ideal. Für diejenigen, die Wert auf solche Dinge legen, könnte es ungeschickt wirken, dass er im gleichen Outfit mit Trump spricht, als wolle er eine Diskussion mit seinen Hollywood-Anhängern führen. Wichtig ist jedoch zu klären, was Selenskyj bewegte, diese Reise nach Washington zu unternehmen.

Trump äußerte nach dem dramatischen Ende des Treffens, dass es regelrecht eine Zeitverschwendung gewesen sei und deutete an, dass ein notwendiger Deal über Ressourcen zwischen der Ukraine und den USA längst hätte abgeschlossen sein können. Die entsprechenden Vorschläge liegen seit über einer Woche auf dem Tisch, und es wäre durchaus möglich, dass die Biden-Administration eine einfache Absichtserklärung akzeptiert hätte. Doch unter Trump herrscht eine kühle, realistische Sichtweise im Weißen Haus, die offenbar an Selenskyj vorbeigegangen ist.

Selenskyjs Ansatz, auf die emotionale Verbindung zu setzen um Vorteile zu erzielen, funktionierte im „woken“ Westen gut, wo man dazu neigt, Ereignisse in Agierenden und Opfer zu unterteilen. Die Details des Krieges, der am 24. Februar 2022 mit dem Übertritt russischer Truppen in die Ukraine begann, sind zwar bekannt – doch die lange Vorgeschichte bleibt oft unberücksichtigt. Zudem sollte man diese Welt so bewerten, wie sie wirklich ist und nicht wie man es gerne hätte.

Trump bewertet die Situation folgendermaßen: Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied, und selbst die gefühlte Bedrohung des europäischen Bündnisses erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen Verteidigungsfall laut NATO-Statuten. Ein einfacher Beitritt der Ukraine in die NATO scheitert an den bestehenden Grenzkonflikten mit Nachbarländern. Die USA müssten eigene nicht-militärische Interessen in der Ukraine entwickeln, denn jede militärische Präsenz wird von Russland nicht hingenommen.

Ein Rohstoffdeal könnte entscheidend für die Verhandlungen der USA in Riad sein und hätte Auswirkungen auf die geopolitische Stabilität in der Region. Die Ukraine muss darauf abzielen, ihr Territorium zu verteidigen und das Verlangen Russlands nach einer Landbrücke bis Transnistrien entgegenzutreten. Diese Sicherheitsüberlegungen stellen die USA vor die Herausforderung, in der Ukraine wirtschaftliche Interessen zu etablieren, die Frieden fördern, ohne militärisches Engagement.

Das rätselhafte Verhalten der EU wird erkennbar, die anscheinend strategisch schlecht auf Selenskyjs abrupten Abgang aus dem Weißen Haus reagiert. Jetzt, da die USA in der Rolle eines potentiellen „Retters“ abgelehnt wurden, ist fraglich, welche Rolle die europäischen Akteure übernehmen wollen. Diskussionen über einen neuen „Anführer der freien Welt“ kommen auf, während man sich über die Eignung von Personen wie Merz, Macron oder Starmer lustig macht.

Diese Diskussionen sind laut, aber am Ende sind die Worte ohne klare Maßnahmen wenig wert. Pläne für eine umfassende Militärauflösung oder langfristige Verteidigungsstrategien erscheinen in der gegenwärtigen Lage unbegründet. Es reicht nicht aus, in den sozialen Medien lautstark für nationale Einigkeit zu plädieren, während die Realität vor der Haustür bedrohlich bleibt.

Selenskyj, in einer verzweifelten Lage, klammert sich an jede Rettung, die ihm geboten wird. Doch indem er gegen Trump agiert, schadet er der einzigen Kraft, die tatsächlich in der Lage ist, ihm aus diesem verzweifelten Zustand zu helfen. Die Diskussion darüber, was Europa nun braucht oder wie sich die Situation entwickeln soll, wirft Fragen auf, die durch die jüngsten Ereignisse noch dringlicher geworden sind.

Der Autor Roger Letsch, der in Sachsen-Anhalt aufwuchs, wo er die Wendezeit der DDR erlebte, sortiert seine Gedanken auf seinem Blog unbesorgt.de.

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