Peter Nawroth, eine renommierte Figur in der medizinischen Forschung, veröffentlicht sein neues Buch „Nackte Medizin“, das sich mit dem Risikomanagement als neuem Leitprinzip in der Medizin auseinandersetzt. Im Kern beschreibt er, wie die Wissenschaft zunehmend Funktionen annimmt, die früher von der Religion innegehabt wurden. Dieser Veränderung liegt eine ideologische Konstruktion zugrunde, die den Einzelnen unterordnet und ihm seine Unabhängigkeit entzieht.
Nawroth argumentiert, dass das Risikomanagement in der Medizin eine kollektivistische Perspektive fördert. Die medizinischen Empfehlungen basieren meist auf Beobachtungsstudien an großen Kollektiven und nicht auf individuellen Fällen, was zu einer Verengung des Handlungsspiels für die Individuen führt. Er betont, dass viele dieser Studien durch Interventionsuntersuchungen widerlegt werden können.
Ein zentrales Anliegen Nawroths ist die Kritik am Anspruch der Medizin, eine allumfassende Leitkraft im täglichen Leben zu sein. Dieser Versuch, den Einzelnen in jeder Lebenslage zu beraten, wird als ideologisch und nicht wissenschaftlich wahrgenommen. Die Vorhersage von Gesundheitsrisiken basiert auf Hochrechnungen, die für den Einzelnen unwirksam sind.
Ein weiteres wichtiges Thema ist der psychische Stress, der dadurch entsteht, dass Menschen sich selbstverantwortlich für ihre Gesundheit fühlen und annehmen, dass sie jede Erkrankung hätten verhindern können. Dies führt zu einer Übermoralisierung des gesunden Verhaltens und zur Spaltung in „Gute“ und „Böse“. Die Medizin wird dabei als Quelle von Angst und moralischer Überforderung wahrgenommen.
Nawroth beobachtet eine Ähnlichkeit zwischen der Medizinerpraxis und der Theologie: Beide versprechen Sicherheit und Schutz, aber die Beweisbarkeit bleibt fragwürdig. Die neue Superreligion, die sich aus medizinischen Ansprüchen formt, übernimmt dabei Funktionen wie Jugend- und Gesundheitskult, was zu einer weiteren Entfremdung des Einzelnen führt.
Insgesamt fordert Nawroth eine Klarstellung der wissenschaftlichen Grundlagen und die Anerkennung der Unzulänglichkeiten in den medizinischen Empfehlungen. Er appelliert an das Wissen seiner Leser, um kritisch zu reflektieren und nicht blind auf Ideologien zu vertrauen.
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Der Artikel diskutiert die zunehmende ideologische Ausrichtung der Medizin sowie ihre Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft im Kontext einer kollektivistischen Perspektive. Dies berührt wichtige politische Themen wie Individualrechte, gesellschaftliche Verantwortungen und die Rolle von Wissenschaft in einem demokratischen System.