Vorteile über Apps: Kritische Stimmen aus der Senioren-Union
Berlin. Die Supermarktketten Lidl, Rewe und andere setzen zunehmend auf ihre eigenen Apps für Rabattaktionen, was laut einer Vereinigung negative Auswirkungen auf Senioren haben könnte. Im Handel wird diese Kritik als unbegründet zurückgewiesen.
Das Durchblättern von Zeitungen nach Rabatten und das Ausschneiden dieser Schnipsel gehört der Vergangenheit an. Heute setzen Einzelhändler auf Kundenbindungsprogramme wie Payback oder interne Bonussysteme. Oftmals können Rabatte jedoch nur über eine App auf dem Smartphone des Verbrauchers abgerufen werden, was nicht nur bequem, sondern auch umstritten ist.
„Es darf nicht sein, dass ältere Menschen an der Supermarktkasse für ihre nicht digitale Lebensweise bestraft werden. Die Preisvorteile, die nur über Apps verfügbar sind, verstärken die digitale Kluft in unserer Gesellschaft,“ äußerte Helge Benda, kommissarischer Vorsitzender der Senioren-Union der CDU Deutschlands. Senioren, die kein Smartphone verwenden, zahlen häufig mehr für die gleichen Produkte, was Benda als inakzeptabel ansieht. Für die Senioren-Union stellt die Notwendigkeit, digitale Technologien zu nutzen, eine „Form der Ausgrenzung“ dar.
Ein Experte unterstützt die Bedenken. Statistisch gesehen besitzen zwar rund zwei Drittel der über 70-Jährigen ein Smartphone. „Die Bereitschaft, eine App herunterzuladen und aktiv zu nutzen, ist in dieser Altersgruppe jedoch eher gering,“ erklärt Johannes Berentzen von der BBE Handelsberatung. Er hebt auch mögliche Hürden wie komplizierte Benutzeroberflächen und Datenschutzbedenken hervor. Zudem halten viele Senioren an der traditionellen Nutzung von physischen Karten und Papiercoupons fest.
Besonders die Umstellung des Kundenbindungsprogramms bei Rewe hat für Aufregung gesorgt. Rewe hat sich von Payback getrennt und ein eigenes Bonusprogramm geschaffen, das jedoch ausschließlich über eine App zugänglich ist. Bei Payback konnten Kunden auch mit einer Plastikkarte Punkte sammeln und einlösen.
Setzt Rewe ältere Kunden dadurch in den Schatten? Das Unternehmen bestreitet dies. „Rewe bietet wöchentlich mehr als 300 Aktionsartikel an. An dieser Zahl hat sich seit der Einführung von Rewe Bonus nichts geändert. Ältere Kunden profitieren weiterhin von den Preisnachlässen, die sie gewohnt sind,“ informiert ein Unternehmenssprecher.
Eine andere Sichtweise vertritt Rewe, die ihren Fokus auf individualisierte Angebote richten wollen. Dies sei nur mit persönlichen Daten möglich, nicht jedoch durch gedruckte Coupons oder Kundenkarten. Des Weiteren verweist Rewe auf eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK, wonach mehr als 60 Prozent der 60- bis 74-Jährigen mittlerweile eine App eines Lebensmitteleinzelhändlers nutzen.
Der Trend zur eigenen App ist mittlerweile weit verbreitet. Bis auf Aldi bieten alle großen Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland mittlerweile Smartphone-Apps an. „Supermarkt-Apps fördern die Kundenbindung, indem sie exklusive Rabatte und personalisierte Angebote bereitstellen,“ erklärt Berentzen. Digitale Coupons ermöglichen eine kostengünstigere Handhabung von Rabatten, da sie gezielt eingesetzt werden können.
Dennoch besteht die Gefahr, dass Kunden mehr Geld ausgeben könnten, wenn sie sich von Angeboten zu Impulskäufen verleiten lassen. Eine Studie von Smhaggle zeigt, dass die tatsächliche Ersparnis 2023 bei keiner der Supermarkt-Apps über 1 Prozent lag, obwohl Lidl und Kaufland 2024 erstmals diese Marke überschritten haben.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Transparenz der Preisgestaltung. Berentzen äußert Zweifel, ob die Preise für Nicht-App-Nutzer absichtlich höher gesetzt werden, um die Rabatte attraktiver erscheinen zu lassen. Auch datenschutzrechtliche Überlegungen stehen im Raum: Die Erstellung von Kundenprofilen und die Analyse des Einkaufsverhaltens werfen ethische Fragen auf.
Verbraucherschützer sind besorgt und haben bereits Beschwerden in Bezug auf die Preisgestaltung und den Datenschutz gesammelt. Die Verbraucherzentrale Bremen kritisiert die Praxis, Rabatte ausschließlich über Apps anzubieten, da dies bestimmte Verbrauchergruppen benachteiligen könnte, insbesondere jene ohne Smartphone oder mit Bedenken gegen die Nutzung von Apps.
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