Zunehmende Gewalt gegen Obdachlose in der Hauptstadt
Die Lage für obdachlose Menschen in Berlin wird zunehmend prekärer. Eine parlamentarische Anfrage hat aufgezeigt, dass im Jahr 2024 eine steigende Anzahl an Gewaltvorfällen gegen diese Gruppe vorliegt. Dabei zeigen die Daten, dass insbesondere Körperverletzungen ein ernsthaftes Problem darstellen.
Laut den Informationen, die dem rbb vorliegen, haben die Linke-Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm eine Anfrage eingereicht, die auf die alarmierende Zunahme von Gewalt gegenüber Obdachlosen hinweist. Im Jahr 2023 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik 441 solcher Vorfälle dokumentiert. Diese Zahl stieg 2024 auf 506 an – ein Anstieg von 61 Fällen, die dem Bereich der Hasskriminalität zugeordnet werden.
Die 65-jährige Susanne ist eine jener Betroffenen. Momentan lebt sie in einem Berliner Wohnheim der Wohlfahrt und empfindet Scham darüber. Dennoch versucht sie, auf die Missstände aufmerksam zu machen, indem sie Menschen durch ihr Wohnviertel führt und ihre eigene Situation zur Sprache bringt.
Besonders alarmierend ist die hohe Zahl an Fällen von vorsätzlicher Körperverletzung. Im Jahr 2024 wurden 241 Fälle von einfacher und 166 Fälle von gefährlicher bis schwerer Körperverletzung registriert. Auffällig ist, dass 114 Vorfälle in öffentlichen Bereichen stattfanden. Darüber hinaus wurden in drei Fällen Mord und Totschlag festgestellt. Vergewaltigungen sind ebenso ein erschreckendes Thema: Insgesamt gab es 13 Fälle, bei denen zwölf Frauen und ein Mann betroffen waren.
Die Gewaltvorfälle sind uneinheitlich in den verschiedenen Stadtbezirken verteilt. Die höchste Anzahl an Übergriffen verzeichneten Mitte mit 132, Friedrichshain-Kreuzberg mit 116 und Charlottenburg-Wilmersdorf mit 102 Vorfällen. Im Gegensatz dazu wurde in Bezirken wie Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf sowie in Lichtenberg und Spandau nur eine geringe Anzahl von Vorfällen festgestellt.
Die Situation an einem Obdachlosencamp in der Unterführung am S-Bahnhof Charlottenburg ist besorgniserregend. Obwohl Räumungsaktionen dort in der Vergangenheit ankündigt wurden, hat das Bezirksamt nun diesen Umgang geändert, was eine zusätzliche Gefährdung für die dort lebenden Menschen darstellt.
In der Reaktion des Senats wird die Bereitstellung von Wohnraum als Schlüsselstrategie gegen die Gewalt hervorgehoben. Angesichts der Tatsache, dass viele Obdachlose ihr Leben öffentlich führen und keinen geschützten Raum haben, sollen Maßnahmen ergriffen werden, um Wohnraumverlust zu verhindern und die Betroffenen zu unterstützen. Dazu zählt auch der Housing First-Ansatz, der darauf abzielt, besonders vulnerablen Personen zunächst eine Unterkunft bereitzustellen.
Zusätzlich gibt es Notfallunterkünfte, die als temporäre Lösung zur Verhinderung von Obdachlosigkeit dienen. Derzeit stehen in den Berliner Notübernachtungen bis Ende März 1.165 Plätze zur Verfügung, während die Auslastung an kalten Nächten bis zu 96 Prozent erreicht. Ab April 2025 wird die Zahl dieser Plätze jedoch verringert, was die Herausforderung für die obdachlosen Menschen in der Stadt verstärkt.
In Berlin existieren zwei Housing First-Projekte, die seit 2018 gefördert werden. Diese haben es in der Vergangenheit 60 Obdachlosen ermöglicht, in sogenannte Tiny Houses ein neues Zuhause zu finden. Allerdings bleibt die genaue Anzahl obdachloser Menschen unklar. Eine Zählung im Jahr 2020 ergab etwa 2.000 Betroffene, während Schätzungen der Berliner Stadtmission die Zahl auf rund 40.000 beziffern, wobei zu beachten ist, dass die Dunkelziffer vermutlich hoch ist.