Die neue Gesinnungsträgerin der Linken

Die neue Gesinnungsträgerin der Linken

In der politischen Arena der Linken hat ein Wechsel stattgefunden: Heidi Reichinnek, die neue Spitzenkandidatin, findet sich im Scheinwerferlicht wider. Die ehemalige Medienlieblingin Sahra Wagenknecht hingegen ist weit weniger präsent. Dieser Wandel wirft Fragen auf. Warum ist das so?

Sahra Wagenknecht, früher als strahlende Figur gefeiert, hat an Sichtbarkeit verloren. Stattdessen hat Heidi Reichinnek, die aktuelle Spitzenkandidatin der Linken und frischgebackene TikTok-Persönlichkeit, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ist es vielleicht die ideologische Nähe von Wagenknecht zu der AfD, die sie in den Hintergrund gedrängt hat? Oder steckt etwas anderes dahinter?

Ein Blick auf beide Politikerinnen zeigt interessante Parallelen: Auf der einen Seite steht die progressive Feministin, auf der anderen die nüchterne Vertreterin des alten Linken. Ihre Stile unterscheiden sich erheblich, und dennoch gibt es Überschneidungen. Wagenknecht bevorzugt klassische Eleganz, während Reichinnek oft in legerem Chic auftritt. Auffällig ist zudem das persönliche Bekenntnis zum politischen Erbe: Während Wagenknecht Rosa Luxemburg symbolisch verehrt, trägt Reichinnek deren Konterfei als Tattoo auf ihrem Arm. Auch das Bild von Nofretete, ergänzt durch eine Gasmaske, findet sich bei Reichinnek, was auf den ersten Blick nicht ganz nachzuvollziehen ist.

Auf ihrem TikTok-Kanal interpretiert Reichinnek das Bild als Ausdruck für die Rolle von Frauen und Protestierenden. Inwieweit eine Gasmaske dabei sinnvoll ist, bleibt fraglich. Um Licht ins Dunkel zu bringen, verweist Der Westen auf ihre Erlebnisse während des Arabischen Frühlings in Kairo, die sie dazu bewogen haben, Nofretete so zu gestalten.

Optisch und in ihrem Auftreten gibt es deutliche Differenzen: Wagenknecht vermittelt etwas von Ernsthaftigkeit, während Reichinnek als laut, provokant und oft unangenehm wahrgenommen wird. Der Ton in der politischen Debatte ist rau und teils unhöflich, was im Bundestag inzwischen als Normalität gilt, doch Reichinnek scheint es hier zu übertreiben.

Ein Grund für die verstärkte öffentliche Auseinandersetzung mit Reichinnek könnte ihre zeitgemäße Selbstdarstellung sein, die insbesondere bei der Jugend positiv ankommt. Im Vergleich zu Wagenknecht, deren Inhalte oft als verstaubt wahrgenommen werden, spricht Reichinnek deren Ideale an, besonders im Hinblick auf Feminismus und Themen rund um Abtreibung.

Bei der U-18-Bundesjugendwahl erzielten die Linken beachtliche 20,8 Prozent, ein Erfolg, den die SPD und CDU nur schwer kontern konnten. Die Statistiken zeigen, dass die Jugend sich trotz der allgemeinen politischen Spirale eher nach links orientiert.

In den letzten Wochen sind Wagenknecht und der BSW (Bündnis Sozialismus Wagenknecht) nahezu von der Bildfläche verschwunden. Auf Negativmeldungen folgen teils skandalöse Rückzüge von Stadträten, die mit der AfD eine gemeinsame Stimme für den Zustrombegrenzungsentwurf geäußert haben. Dies hat nicht nur ihr mediales Präsenz beeinträchtigt, sondern auch Widerspruch innerhalb der eigenen Reihen ausgelöst.

Es könnte vermutet werden, dass die Etablierten der Medien und der Politik Wagenknecht nicht länger als nützliche Opposition wahrnehmen. Der Vergleich mit Friedrich Merz ist offensichtlich: Ein klarer Abstand zur AfD ist nicht nur gewünscht, sondern wird als politische Notwendigkeit erachtet.

Beide Politikerinnen positionieren sich in Relation zur alten Garde der Linken: Während Wagenknecht sich näher an Lafontaine orientierte, zeigt sich Reichinnek eher gewandt gegenüber Gregor Gysi. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch die Dynamik innerhalb der Linken spielt und persönliche Einflüsse nicht zu vernachlässigen sind.

Marie Wiesner, Jahrgang 1999, ist Teil der Redaktion bei Achse des Guten.

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