Fremdverliebtheit in offenen Beziehungen: Warnungen und Ratschläge von einer Expertin

Fremdverliebtheit in offenen Beziehungen: Warnungen und Ratschläge von einer Expertin

Hamburg. Auch in offenen Beziehungen kann schnell aus einem Flirt ernsthafte Verliebtheit entstehen. Eine Paartherapeutin aus Berlin erläutert, wann Verstärkungen der Gefühle eintreten und was dies für die betroffenen Paare bedeutet.

Fremdverliebtheit ist ein oft unerwähntes Thema, das in vielen Beziehungsgesprächen gemieden wird. Dennoch ist es ein häufig auftretendes Phänomen. Wie können Paare mit dieser verwirrenden Situation umgehen und welche Auswirkungen hat das auf ihr gegenseitiges Vertrauen sowie auf die Zukunft der Beziehung? Die Berliner Paartherapeutin Jamila Mewes geht diesen Fragen nach und bietet wertvolle Einblicke.

In jeder Beziehung ist es wichtig, gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin einen klaren Beziehungsrahmen zu definieren. Ob monogam, offen oder polyamor – die Möglichkeiten sind facettenreich. Doch was genau bedeutet es, in einer offenen Ehe zu leben? Die emotionsfokussierte Therapeutin beschreibt dies als die einvernehmliche Vereinbarung, zusätzlich zu seinem Partner sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe zu pflegen. Meist handelt es sich bei solchen außerehelichen Aktivitäten um körperliche Begegnungen, in denen romantische Gefühle nicht im Vordergrund stehen.

Die Festlegung emotionaler und sexueller Grenzen sollten Paare selbst vornehmen, erklärt Mewes. In offenen Beziehungen besteht durchaus die Möglichkeit, dass Menschen gleichzeitig Gefühle für mehrere Partner entwickeln – in solchen Fällen spricht man bereits von Polyamorie.

Unabhängig von der gewählten Beziehungsform lässt sich das Risiko, sich in jemand anderen zu verlieben, nie gänzlich ausschließen. „Es ist natürlich, dass wir bei intimen und sexuellen Begegnungen das Bindungshormon Oxytocin ausschütten. Gefühle sind wertvoll und machen uns menschlich“, hebt Mewes hervor. Gleichzeitig sei es ebenso denkbar, dass sich Menschen trotz intimer Erfahrungen oder Zuneigung nicht ineinander verlieben.

„Verliebtheit ist ein hormoneller Zustand und beschreibt das erste Stadium einer potenziellen Beziehung“, so die Therapeutin weiter. Verliebte zeigen oft körperliche Symptome, wie ein Kribbeln im Bauch oder erhöhten Herzschlag. Sie denken häufig an die begehrte Person und verspüren den starken Wunsch nach ihr. Mewes erklärt: „Es entsteht eine intensive physiologische Reaktion, bei der Verliebte ihre Wünsche und Erwartungen in die andere Person projizieren.“

In einigen Fällen entwickeln sich aus diesen anfänglichen Verliebtheitsgefühlen später tiefere Empfindungen. In den meisten Fällen jedoch verblassen diese Gefühle nach einigen Wochen, wenn sich die Fantasien mit der Realität abgleichen. „Es ist keine kluge Entscheidung, die bestehende Beziehung ohne gründliches Nachdenken zu beenden“, stellt die Expertin fest.

Mewes empfiehlt, in der Beziehung eine Kultur der Offenheit zu fördern. Dies stärkt das Vertrauen und erleichtert es den Partnern, offen über ihre Empfindungen zu kommunizieren. Wenn jemand seine Gefühle mitteilt, geht es nicht nur um das bloße Gefühl, sondern auch um die damit verbundenen Wünsche und Ängste, die besprochen werden sollten.

Die Expertin weist darauf hin, dass es oft schwierig ist, einem Partner nicht die Schuld zuzuschieben, wenn dessen Verhalten unangenehme Emotionen hervorruft – wie Verlustangst oder Eifersucht. Viele Menschen machen in solchen Momenten den neuen Partner für ihre schweren Gefühle verantwortlich, was jedoch nicht hilfreich sei. „In Wahrheit hat die Erlösung von diesen Emotionen viel mit dem eigenen Selbstwert und der Verantwortung für die eigenen Empfindungen zu tun“, so Mewes.

Wenn jedoch klar definierte Grenzen überschritten werden, ist dies eine andere Situation: „In diesem Fall handelt es sich um eine Verletzung der Beziehungsvereinbarung, für die der Partner die Verantwortung übernehmen muss“, fügt die Coachin hinzu.

Es kann schneller geschehen als gedacht, dass man sich während einer offenen Beziehung verknallt. Mewes erklärt, dass Betroffene zuerst ihre eigenen Emotionen analysieren sollten: „Wie intensiv sind diese Gefühle wirklich, und handelt es sich um echte Liebe? Echte Liebe ist in der Regel belastbarer als die anfängliche Aufregung des Verliebtseins, die oft hormonell bedingt ist.“

Es ist auch wichtig, dass der Partner desjenigen, der sich verliebt hat, seine eigenen Gefühle anerkennt und mit ihnen offen umgeht. „Wenn einer der Partner etwas mitteilt, das beim anderen ein Gefühl auslöst, kann es verbindend sein, darüber offen zu sprechen“, sagt die Expertin. Wesentlich ist, einander Verständnis entgegenzubringen. „In einer Beziehung, in der Vertrauen herrscht und wo Verletzlichkeit geäußert werden kann, können offene Ehen in ihrer Intimität und Tiefe oft sogar monogame Beziehungen übertreffen.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Berliner Morgenpost.

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