Radioaktive Katastrophe im Atlantik: Forscher bemühen sich, verschwundene Atommüllfässer zu finden

Bis 1993 wurden strahlende Abfälle in den Ozeanen entsorgt. Die genaue Lage der Fässer bleibt bis heute unklar. Wissenschaftler aus Europa starteten eine Expedition, um die versteckten Risiken zu identifizieren.
Seit den 1950er-Jahren stellte sich viele Länder die Frage, wie sie mit Atommüll umgehen könnten. Eine einfache Lösung wurde gewählt: Fässer mit radioaktivem Abfall wurden in der Tiefe des Atlantiks versenkt. Experten vermuten, dass mindestens 200.000 dieser Behälter im Nordostatlantik liegen. Doch selbst nach Jahrzehnten bleibt die Strahlung unkontrolliert. 1993 wurde das Vorgehen schließlich verboten.
Ein internationales Team von Forschern, darunter ein Wissenschaftler vom Thünen-Institut in Bremerhaven, machte sich auf den Weg, um die Fässer zu lokalisieren. Das Projekt NODSSUM (Nuclear Ocean Dump Site Survey Monitoring) zielt darauf ab, die Auswirkungen der Entsorgung auf das Ökosystem zu bewerten. Patrick Chardon, Leiter des Projekts, geht davon aus, dass die Radioaktivität in den meisten Fässern nach 300 bis 400 Jahren verschwinden könnte. Allerdings könnten zwei Prozent der Abfälle weiterhin gefährlich bleiben.
Die Fässer wurden zwar für den Druck der Tiefsee konstruiert, aber nicht ausreichend gegen die Ausbreitung von Strahlung geschützt. Experten vermuten, dass bereits jetzt Radioaktivität entweicht. Während der vierwöchigen Mission werden 21 Wissenschaftler das Gebiet zwischen La Rochelle und dem Westeuropäischen Becken des Atlantiks erkunden. Ein autonomer Tauchroboter namens Ulyx wird dabei helfen, die Fässer zu identifizieren. Mit Hilfe von Sensoren, Kamera und Sonar sollen die Behälter lokalisiert werden.
Ziel ist es, eine detaillierte Karte der Fässer zu erstellen und Proben aus dem Wasser, Boden sowie Tieren zu entnehmen. Zudem soll das Referenzgebiet untersucht werden, um Vergleiche zu ziehen. Der Forscher Javier Escartin schätzt, dass die gesamte Fläche mehrere Jahre benötigen würde, um vollständig abzusuchen. In den nächsten Wochen sollen etwa 200 Quadratkilometer abgedeckt werden.
Die Ergebnisse der Untersuchung sollen helfen, das Ökosystem des Tiefseebereichs besser zu verstehen. Doch die Unsicherheit bleibt groß: „Wir kennen das grundlegende System in dieser Region noch nicht einmal ansatzweise“, betont Escartin. Die Erkenntnisse könnten jedoch auch für andere wissenschaftliche Bereiche von Bedeutung sein. Nach der Mission werden die Proben an europäische Labore weitergeleitet, um weitere Recherchen durchzuführen.