Union hinterfragt Gemeinnützigkeit von NGOs – Ein umstrittener Schritt
In Berlin hat die Union, bestehend aus CDU und CSU, mit einem umfangreichen Fragenkatalog, der über 500 Punkte umfasst, die Gemeinnützigkeit mehrerer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Frage gestellt. Die Begründung dafür: Einige dieser Organisationen waren vor den Wahlen aktiv an Protesten gegen die Union beteiligt, was laut Parteivertretern Zweifel an deren politischer Neutralität aufwirft. Kritiker der Union hingegen sehen in dieser Anfrage einen direkten Angriff auf die Zivilgesellschaft. Ist die umfangreiche Liste der Fragen gerechtfertigt? Ein Blick auf die Argumente beider Seiten.
Argument für die Anfrage von Jörg Quoos
Transparenz ist unerlässlich
„Wichtig ist, dass man nie aufhört zu fragen“, sagte einmal Albert Einstein – und dieser Satz trifft auch den Kern der Fragen, die die Union an die Bundesregierung hinsichtlich der NGOs gerichtet hat. Es handelt sich immerhin um Organisationen, die mit Steuermitteln gefördert werden.
Das Netzwerk aus zahlreichen NGOs ist selbst für Fachleute kaum überschaubar. Über eine Milliarde Euro an Fördergeldern geht an diese Institutionen, die von „Agora Energiewende“ bis zu den „Omas gegen Rechts“ reichen. Viele von ihnen fungieren als politische Lobby und beziehen klare Positionen. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.
Allerdings ist es nicht im Sinne einer Demokratie, wenn staatliche Förderungen dazu führen, dass parteipolitische Einflussnahme in einem solch hohen Maße möglich wird, dass es am Ende zu einem politischen Ungleichgewicht führt. Regierungen könnten sich dadurch womöglich Unterstützung erkaufen, etwas, das niemand befürworten möchte, egal ob die Regierung von der Union oder einer anderen Partei gestellt wird.
Deshalb wäre es sinnvoll, sich etwas zu beruhigen und die gestellten Fragen sachlich zu beantworten. Transparenz im Umgang mit Steuermitteln ist keine Forderung, die übertrieben wäre, sondern sollte als grundlegendes Prinzip angesehen werden. Die Fragen der Union bedeuten zudem nicht, dass Organisationen in ihrer Existenz eingeschränkt oder ihre Mittel entzogen werden, wie in der aktuellen Diskussion manchmal angedeutet wird. Die Antworten darauf können jedoch eine Grundlage für intensive Gespräche über mögliche Konsequenzen liefern. NGOs, wie alle Bürgerinnen und Bürger, haben das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ein uneingeschränktes Recht auf staatliche Unterstützung steht ihnen jedoch nicht zu.
Gegendarstellung von Theresa Martus
Das Vorgehen der Union ist unangemessen und kurzsichtig
Proteste haben eine Wirkung. Die massiven Demonstrationen vor der Wahl, an denen Hunderttausende teilnehmen, um gegen die Abstimmung von Union und AfD im Bundestag zu protestieren, hatten mehrere Auswirkungen. Zum einen mobilisierten sie viele Menschen und trugen wahrscheinlich zu einer hohen Wahlbeteiligung bei. Zum anderen scheint die Union durch diese Aktionen stark irritiert worden zu sein.
Dies könnte die Beweggründe hinter dem Fragenkatalog erklären, den die Unionsfraktion zu den Protesten und den involvierten NGOs erstellt hat. Die Offenheit der Kritik muss in den Reihen der Union für Unbehagen gesorgt haben, weshalb die Aufmerksamkeit jetzt auf die Kritiker gelenkt wird. Dabei wird ein Muster verwendet, das wir sonst eher von der AfD kennen – ein Vorgehen, das als unangemessen und äußerst kurzsichtig zu werten ist.
Die Organisationen, die im Fragenkatalog aufgeführt sind, engagieren sich für Verbraucherrechte, Umweltschutz und freie Medien. Dies sind alles Aspekte, die auch die Union für wichtig erachten sollte. Und selbstverständlich sind auch Vereinigungen gegen Rechtsextremismus betroffen – in Anbetracht der Wahlergebnisse sollten CDU und CSU eigentlich dankbar sein für Menschen, die im Kampf gegen Extremismus aktiv sind.
„Demokratie braucht Demokraten“, sagte Friedrich Ebert einst. Dies gilt nicht nur für Wahlsonntage, sondern auch für das Engagement dazwischen. Würde es diese aktive Zivilgesellschaft nicht geben, würde die Union sie wohl bald schmerzlich vermissen.