Generation Z neigt zu links: Eine Wende im Wählerverhalten
Berlin. Das vergangene Jahr sah einen Anstieg der Stimmen für die AfD unter jungen Wählern. Doch die aktuellen Ergebnisse der Bundestagswahl zeigen einen klaren Richtungswechsel. Was sich dahinter verbirgt.
Deprimiert, erschöpft und mitunter politisch orientiert nach rechts: Im April 2024 löste die Veröffentlichung der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ Besorgnis aus. Der Generation Z wurde ein stark ausgeprägter Pessimismus hinsichtlich ihrer Zukunft bescheinigt. Die Reaktion bei der Europawahl: Die AfD erhielt 16 Prozent der Stimmen von jungen Wählern, was beinahe dem Ergebnis der Union mit 17 Prozent entsprach. Im Gegensatz dazu erzielte Die Linke lediglich 6 Prozent.
Die Befürchtungen, das Ergebnis könnte sich bei der Bundestagswahl wiederholen, erfüllten sich jedoch nicht. Stattdessen zeigt sich, dass Die Linke zur neuen politischen Heimat vieler junger Wähler geworden ist. Laut ersten Hochrechnungen zur Wahl um 21.14 Uhr wird sie unter den 18- bis 24-Jährigen mit etwa 25 Prozent zur stärksten Kraft, während die AfD auf 21 Prozent kommt. Die Union bleibt mit 13 Prozent weit abgeschlagen, gefolgt von der SPD mit 12, den Grünen mit 11, der FDP mit 5 und dem BSW mit 6 Prozent. Damit bestimmen viele Erstwähler das zukünftige Bundestagsbild, das auch für die FDP und den BSW positive Aussagen beinhaltet.
„Die jungen Menschen sind von der Ampelregierung enttäuscht“, stellte Jugendforscher Simon Schnetzer schon vor der Wahl klar. Als Mitautor der Studie „Jugend in Deutschland“ hat er in Zusammenarbeit mit Klaus Hurrelmann und Kilian Hampel ein Spezial zur Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025“ herausgebracht. Demnach ist die junge Wählerschaft aufgrund eines wachsenden Unsicherheitsgefühls zunehmend wechselhaft. Zudem fehlt es der Generation Z an einer glaubhaften Vision für ein besseres Leben in Deutschland. Diese Unsicherheit war auch bei der Europawahl präsent, jedoch finden mehr junge Menschen nun bei Die Linke Gehör.
Der überraschende Erfolg für Die Linke zeigt sich nicht nur im Überholen der AfD und CDU/CSU, sondern auch in einem klaren Gewinn gegenüber der SPD. Schnetzer bemerkt: „Besonders stark scheint Die Linke von jungen Menschen gewählt zu werden, die sich aktiv gegen die AfD positionieren und Antworten auf soziale Gerechtigkeit suchen.“ Themen wie bezahlbarer Wohnraum und eine sichere Altersvorsorge stehen an vorderster Stelle.
Zusätzlich betrachtet das Forscherteam um Schnetzer auch die Lebensumstände der jungen Wähler. Diese werden maßgeblich von Inflation, Sorgen über Kriege, Wohnungsknappheit und den Herausforderungen des Klimawandels geprägt. Trotz guter beruflicher Perspektiven sind die Aussichten auf stabile finanzielle Verhältnisse teilweise besorgniserregend. Der Gesundheitszustand der jungen Generation ist zwar überwiegend gut, jedoch sind psychische Probleme zunehmend verbreitet. Ihre Verunsicherung wird zudem durch die ständige Präsenz sozialer Medien verstärkt.
Schnetzer nennt zwei zentrale Elemente, die den Aufstieg der Linken erklären könnten: Es scheint, dass Die Linke durch Heidi Reichinnek in der Lage war, ihre Social-Media-Präsenz so zu gestalten, dass sie die Bedürfnisse und Sorgen junger Menschen direkt anspricht.
Dennoch bleibt der Anteil junger Wähler, die sich für rechte Parteien entscheiden, mit 20 Prozent bedeutend hoch. Viele unter ihnen zeigen sich gegenüber Ausländern kritisch, lehnen den Islam ab und demonstrieren gegen queere Veranstaltungen, was bereits bei der Europawahl und der Landtagswahl in Sachsen im vergangenen Jahr deutlich wurde. Dort erhielt die AfD unter den Wählern der Generation Z beeindruckende 31 Prozent – eine Steigerung um elf Punkte im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren. In Thüringen wählten sogar 38 Prozent der Generation Z die AfD, die dort als rechtsextrem eingestuft wird.