Interview mit Vincenz Leuschner: Der Begrenzte Nutzen von Terrorismus-Vorbeugung
Am 11. März wird seit drei Jahren der Gedenktag für Opfer von Terroranschlägen in Berlin und Brandenburg gefeiert. In einem Interview mit Radioeins sprach Professor Vincenz Leuschner über die Entwicklung der Versorgung von Opfern sowie die Wirksamkeit von Terrorismus-Präventionsmaßnahmen.
Entwicklungen seit dem Breitscheidplatz-Anschlag
Leuschner erläuterte, dass nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 erhebliche Verbesserungen in der Versorgung von Opfern erfolgt sind. Früher gab es Schwierigkeiten bei der Einordnung und Unterstützung ausländischer Touristen oder Betroffener, die nicht in Deutschland ansässig waren. Das Opferentschädigungsgesetz wurde angepasst, um auch Schäden durch Autoattentate zu decken.
Low-Tech-Terrorismus
Der Professor betonte den zunehmenden Einsatz von „Low-Tech-Mitteln“ in Terroranschlägen. Moderne Rezepte ermöglichen es Terroristen, selbstgemachten Sprengstoff herzustellen oder einfach nur Messer und Autos als Waffen zu verwenden.
Zentrale Anlaufstellen für Opfer
Seit dem Breitscheidplatz-Anschlag wurde eine zentrale Anlaufstelle für Opfer von terroristischen Anschlägen eingerichtet, zunächst in Berlin und später in jedem Bundesland. Regelmäßige Gedenkveranstaltungen und psychosoziale Unterstützung für Betroffene sind weitere Verbesserungen.
Definitionen und Motivationen
Terror wird als die Anwendung von Gewalt definiert, welche Angst und Furcht in der Bevölkerung erzeugt. Terrorismus dient dazu, politische Ziele durch symbolische Akte zu verfolgen. Terroristen nutzen Gewalt als Kommunikationsmittel.
Individualisierung des Terrorismus
Im Laufe dieses Jahrhunderts hat sich der Terrorismus von gruppengeführten Aktivitäten hin zu Einzelaktionen entwickelt. Dies führt dazu, dass die Identifikation und Vorbeugung dieser Bedrohung viel schwieriger geworden ist.
Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen
Leuschner kritisierte die Effektivität der vielen Programme zur Terrorismusprävention in Deutschland. Obwohl seit 2001 zahlreiche Initiativen ergriffen wurden, existieren nur wenige wissenschaftlich belegte Beweise für deren Wirksamkeit.
Einfluss auf politische Reaktionen
Terroranschläge beeinflussen oft die politischen Entscheidungen in Richtung einer stärkeren Überwachung und Verengung der Bürgerrechte. Diese Reaktionen entsprechen häufig den Zielen der Terroristen, indem sie Spaltung und Ausgrenzung fördern.
Herausforderungen für Sicherheitsbehörden
Die Behörden sind gut ausgestattet, um terroristische Gruppen zu überwachen, jedoch ist die Überwachung von individuellen Terroristinnen und Terroristen viel schwieriger. Die Identifikation und Auffälligung potenziell gefährlicher Individuen erfolgt nicht immer effektiv.
Schließende Bemerkungen
Vincenz Leuschner betonte, dass trotz der großen Anstrengungen in Richtung Terrorismusprävention die Effizienz dieser Maßnahmen fraglich bleibt. Es gibt zahlreiche Herausforderungen hinsichtlich der Identifizierung und Verfolgung von Terroristen, insbesondere wenn es um individualisierten Terrorismus geht.