Gedenktag für die Opfer von Hanau und die Debatte um den Täter

Gedenktag für die Opfer von Hanau und die Debatte um den Täter

Am 19. Februar jährt sich der schreckliche Anschlag von Hanau zum fünften Mal. In den kommenden Tagen sind verschiedene Kundgebungen geplant, die sich gegen Rassismus und extreme rechte Positionen richten. Dabei wird immer wieder auf das Bild des Täters verwiesen, das jedoch nicht gänzlich das tatsächliche Krankheitsbild widerspiegelt.

Vor kurzem wurde in Hanau beschlossen, dass ein zentrales Mahnmal für die neun Opfer des rassistisch motivierten Anschlags am 19. Februar 2020 errichtet wird. Dieses wird in der Nähe des zukünftigen „Hauses für Demokratie und Vielfalt“ am Kanaltorplatz stehen. Die offizielle Benennung des Areals als „Platz des 19. Februar“ soll die Gedenkstätte abrunden. Nach meinem Kenntnisstand handelt es sich hierbei um die erste ihrer Art in Deutschland für die Opfer eines Täters, der nicht schuldfähig war. Tobias R., der unter Schizophrenie litt, vollzog seine verheerende Tat unter dem Einfluss von Halluzinationen und einem Wahn, der ihn zu tödlichen Handlungen trieb.

Der Täter, der 43 Jahre alt war, richtete am Abend in mehreren Orten in Hanau eine grausame Bluttat an und erschoss neun Personen mit Migrationshintergrund, bevor er seine Mutter und schließlich sich selbst ermordete. In der Nacht des Verbrechens äußerte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer, dass es sich um einen „klar rassistisch motivierten Terroranschlag“ handele. Diese Wendung wurde von zahlreichen Politikern und Medien übernommen und hält sich bis heute, obwohl zahlreiche Hinweise auf abweichende Motive des Täters hindeuten.

Bereits wenige Stunden nach dem Verbrechen waren Informationen über Tobias R.’s Manifest im Internet verfügbar, und das obwohl er selbst die entscheidenden Quellen vorher gelöscht hatte. Dieses Dokument, das 24 Seiten umfasste, offenbarte einen tiefgreifenden Wahn und lässt sich als Ausdruck seiner abwegigen Denkweise interpretieren. Der Verfolgungswahn, der in diesem schrieb, war gepaart mit Größenideen, inklusive der Vorstellung, dass er von einem geheimen Dienst überwacht werde. Zudem bezog er sich auf den Wunsch, große Teile der Bevölkerung zu eliminieren.

In einem offenen Brief an den Generalbundesanwalt stellte ich drei Tage nach dem Attentat klar, dass zum Zeitpunkt des Verbrechens wahrscheinlich eine schwere psychische Störung vorlag, die eine Schuldunfähigkeit bedeutet. Es war ungewiss, ob extremistisches Gedankengut oder fremdenfeindliche Ansichten als ausschlaggebend für seine Taten angesehen werden könnten. Dieser Sachverhalt wurde auch von dem Generalbundesanwalt in einer Antwort angesprochen, die jedoch inhaltlich wenig Klarheit bot.

Es könnte für den Leser von Interesse sein, ein besseres Verständnis über die genauen Symptome der Schizophrenie zu erhalten, die mit Tobias R.s Erkrankung verbunden sind. Typischerweise tritt diese Störung bei jungen Männern auf, wobei das Risiko bei etwa 0,6 Prozent liegt. Vor dem Erscheinen typischer Symptome gibt es oft eine Phase mit wenigen, unspezifischen Symptomen. Sobald ein Schub einsetzt, können die Betroffenen unter allen möglichen psychotischen Symptomen leiden, einschließlich Halluzinationen und Wahnvorstellungen.

Gerade unter diesen Bedingungen ist das Risiko von Gewalttaten signifikant erhöht. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, hat die Gruppe von Menschen mit Schizophrenie ein vier bis zehnfach gesteigertes Risiko, eine gewalttätige Tat zu begehen. Dies gilt insbesondere für jüngere Männer. In Tobias R.s Fall traten die Beschwerden bereits in einer frühen Phase seiner Lebensgeschichte auf, was zur Tragödie des Attentats führte.

Im Folgenden veröffentlichte ein renommierter forensisch-psychiatrischer Sachverständiger den Befund, dass der Täter schuldunfähig sei, da der wahnhafte Zustand ihm keine Wahl ließ. Trotz dieser klaren Diagnosen fand die Schizophrenie in den offiziellen Erklärungen oft nicht ausreichend Berücksichtigung, was zu einer einseitigen Deutung der Motive führte.

Im Jahr 2021 stellte der Generalbundesanwalt seine Ermittlungen ein, ohne die psychische Verfassung des Täters zu thematisieren, was Zweifel an der genauen Bewertung der Tat aufwirft. Während ein Gutachten von Professor Saß die psychische Störung bestätigte, fiel auf, dass wichtige Fakten über die Krankheit und deren Einfluss auf das Verhalten des Täters in den offiziellen Berichten nicht ausreichend gewürdigt wurden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Gesellschaft heutzutage gefordert ist, die komplexen Zusammenhänge zwischen psychischer Erkrankung und politischen Motiven zu diskutieren, anstatt klare Trennungen zu ziehen, die der Realität nicht gerecht werden. In Anbetracht der Entstehung von Ideologien sollten wir uns vermehrt der humanitären Wahrheitsfindung widmen, anstatt uns in politisch gefärbte Narrative zu verlieren.

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