Sexuelle Aktivität bei Herzerkrankungen: Wichtige Informationen für Betroffene
Hamburg. Nach einem Herzinfarkt: Wie Betroffene Risiken einschätzen können und welche Ängste unbegründet sind. Ein Kardiologe gibt wertvolle Hinweise.
Wenn das Herz nicht mehr so funktioniert wie gewohnt, kann das erhebliche Konsequenzen für die Gesundheit und auch für die Partnerschaft haben. Laut der Deutschen Herzstiftung ziehen sich viele Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowohl emotional als auch körperlich zurück.
Allein jeder zweite Herzpatient hat Schwierigkeiten mit dem Thema Sexualität. „Unsicherheit und Scham führen oft dazu, dass sich viele Patienten von ihrem Arzt abwenden, anstatt offen über ihre Befürchtungen zu sprechen“, erläutert Markus Wrenger, Kardiologe und Reha-Experte sowie Ärztlicher Direktor der Fachklinik Weserland in Bad Pyrmont. „Dies kann die Partnerschaft stark belasten und die Rückkehr zu einem erfüllten Sexualleben erschweren.“
Sex ist eines der prägenden menschlichen Bedürfnisse. Nach einer Herzerkrankung fragen sich viele: Ist es zu gefährlich? Die verbreitete Angst, die körperliche Anstrengung könnte das Herz überlasten, räumt der Experte der Deutschen Herzstiftung aus. „Die körperliche Belastung während des Geschlechtsverkehrs wird häufig überschätzt“, erklärt er.
Als grobe Richtlinie gilt: „Wer in der Lage ist, zwei Stockwerke Treppen zu steigen oder zügig zu spazieren, ohne Herzschmerzen oder Atemnot zu verspüren, ist in der Regel auch bereit für sexuelle Aktivitäten.“ Ein Herzinfarkt oder eine andere Herzfunktionsstörung aufgrund sexueller Aktivitäten ist unwahrscheinlich. „Bei den meisten Menschen überschreitet der Puls während des Geschlechtsverkehrs nicht 130 Schläge pro Minute und der systolische Blutdruck liegt nicht über 170 mmHg“, so der Fachmann. Deshalb sind solche Werte nicht besorgniserregend.
Wer ganz sicher gehen möchte, sollte einen Arzt konsultieren, insbesondere in der Phase der kardiologischen Rehabilitation. Ebenso müssen Menschen mit einem implantierten Defibrillator nicht auf Sexualität verzichten. Auch wenn es theoretisch möglich ist, dass das Gerät während des Geschlechtsverkehrs einen Schock abgeben könnte, stellt dies keine Gefahr für den Partner dar.
Eine Studie aus Israel zeigt sogar, dass sexuelle Aktivität sich positiv auf Herzpatienten auswirken kann. „Forscher der Universität Tel Aviv haben festgestellt, dass Patienten, die innerhalb von sechs Monaten nach einem Herzinfarkt ihre sexuelle Aktivität wiederaufnahmen, ein um 35 Prozent geringeres Sterberisiko aufwiesen im Vergleich zu weniger oder gar nicht aktiven Patienten“, betont Wrenger. Weitere Informationen finden sich im kostenlosen Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“ der Herzstiftung.
Trotz der allgemeinen Unbedenklichkeit sexueller Aktivitäten sollten Patienten bestimmte Punkte beachten. „Bei stabiler koronarer Herzkrankheit gelten Medikamente im Allgemeinen als sicher“, ergänzt Wrenger. Eine Kombination von Potenzmitteln, wie Viagra, mit Nitraten ist hingegen kritisch, da dies zu gefährlichen Nebenwirkungen führen kann.
„Die gleichzeitige Einnahme von potenzsteigernden Medikamenten und Nitraten kann zu kritischen und potenziell lebensbedrohlichen Blutdruckabfällen führen. Hier ist Vorsicht geboten – ärztlicher Rat ist ratsam“, warnt der Kardiologe. Sein Tipp: Um einen gefährlichen Blutdruckabfall zu vermeiden, kann es oft sinnvoll sein, nach der Einnahme von Potenzmitteln eine Wartezeit zu beachten, bevor Nitrospray verwendet wird.
In einigen Situationen kann es ratsam sein, vorübergehend auf sexuelle Aktivitäten zu verzichten und stattdessen durch Kuscheln Nähe zu schaffen. Wrenger rät insbesondere in bestimmten Fällen zur Zurückhaltung.
Dieser Artikel wurde zuerst in der Berliner Morgenpost veröffentlicht.