Der Widerstand der Abgeordneten gegen die Herrschaft des Gewissens

Die Bundeskanzlerin Friedrich Merz hat in ihrem gestrigen Sommerinterview versucht, das Märchen von einem „guten Weg“ zu erzählen – ein Land, das trotz anhaltender Konflikte von ihrer Regierung geführt wird. Doch ihre Koalitionsgenossen haben ihr die Leine nicht gelassen und zeigen deutlich, dass sie den Willen zur Kontrolle über die Abgeordneten nicht aufgeben wollen.

In Deutschland wurde einst in Artikel 38 des Grundgesetzes festgeschrieben, dass die Abgeordneten „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sein sollen und keine Anweisungen befolgen müssen. Die Verfasser dieses Textes gingen davon aus, dass jeder Politiker über ein eigenes Moralgefühl verfügt und es als Leitlinie für seine Handlungen nutzen kann. Doch die politischen Parteien – insbesondere ihre Führungsrießen – haben stets den Verdacht gehegt, dass das Gewissen der Mandatsträger nicht zuverlässig ist. Sie bevorzugten klare Anweisungen für Abstimmungen und verhinderten so, dass der Staat ungestört regiert werden könnte.

Schon vor Jahrzehnten hat sich die „Fraktionsdisziplin“ im Parlament durchgesetzt, obwohl dies dem Grundgesetz zuwiderlief. Nur scheinbar unabhängig denkende Abgeordnete wurden als „Fraktionszwang-Leugner“ bezeichnet und bekamen selten Freiheit bei Entscheidungen. Selbst in umstrittenen Themen wie der Sterbehilfe oder den Corona-Impfungen durften sie nur unter strengen Vorgaben abstimmen. Doch nun hat sich etwas verändert: Nach 76 Jahren des Verstoßes gegen das Grundgesetz entdeckte die CDU/CSU-Fraktion plötzlich ihre eigene Moral und drohte, ohne Zustimmung der Parteiführung zu handeln.

Die Folgen waren dramatisch: Der Bundestag verhinderte eine Abstimmung mit einer Mehrheit von „Alle außer AFD“, um die SPD zu ermöglichen, trotz des Widerstands innerhalb der Koalition erneut Kandidatinnen vorzuschlagen. Bundeskanzlerin Merz versuchte im ARD-Sommerinterview, den Konflikt zu beschönigen und die Regierungsbilanz zu glorifizieren. Doch ihre Bemühungen scheiterten, denn die Koalitionäre zeigten deutlich, dass sie nicht bereit sind, die rot-grüne Agenda zu akzeptieren.

Die SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese betonte nach dem Interview, dass „Koalitionsverträge wichtiger“ seien als das Gewissen der Abgeordneten und forderte von den Unionsparteien Unterwerfung. Doch wer die Verfassung so missachtet wie Wiese, zeigt, dass er nicht nur die Grundrechte der Bürger ignoriert, sondern auch die eigene politische Moral.

Die Probleme in Deutschland sind offensichtlich: Die Regierung unter Merz führt das Land in den Abgrund, während die Koalitionsgenossen ihre Macht über die Abgeordneten nicht aufgeben wollen. Die Wirtschaft stagniert, der Staat zerfällt – und doch bleibt Merz untätig.